Es war eine dieser Sommernächte, in denen der Mond oben am Himmel majestätisch thronte, während wir Menschen hier unten würdelos verknotet und schnarchend in unseren Betten schlummerten. Die Wärme des Tages klebte noch an den Nachtstunden und hatte so gar keine Lust, von ihnen abzulassen.
Ich selbst bekam deshalb überhaupt kein Auge zu und wanderte durch die Wohnung, die so still war, dass man fast meinen konnte, die Zeit hielt die Luft an. Nicht einmal das alte Parkett knarzte, als ich vorsichtig Richtung Kühlschrank schlich. Denn gerade war mir eingefallen, dass auf dem Herd ein ziemlich voller Topf mit Bolognesesoße auf mögliche Besucher wartete. Wenn morgen eins, zwei, fünf Portionen fehlen sollten, würde das niemandem auffallen.
»Lecker Möhrchen«, freute ich mich. »Dazu lecker Tomaten und ein bisschen leckeres Fleisch.« Schon beim Gedanken an meinen Mitternachtssnack lief mir das Wasser im Mund zusammen. Mit einem zufriedenen Lächeln hob ich den Deckel des Topfes an.
Doch kurz darauf entfuhr mir ein entsetztes »Ihhh!«, und ich knallte den Deckel hastig wieder zu. Nach einem tiefen Atemzug schaute ich erneut in den Topf. Dort saß ein daumendicker, lilafarbener Wurm mit fünf Köpfen und schlief. Von der Bolognese keine Spur.
Konnte dieses fremdartige Wesen die ganze Soße allein verputzt haben? Noch bevor ich meine Gedanken ordnen konnte, hörte ich schräg hinter mir ein altbekanntes Schmatzen. Dieses Geräusch stammte von jemandem, der definitiv ganze Töpfe leer aß. Problemlos. Mehrmals am Tag.
»Guten Abend, liebes Pelipontalus!«, sagte ich und setzte mich an den Küchentisch. Das Weltraumtier winkte mir flüchtig zu und kümmerte sich dann um den Teller mit allerlei Leckereien, der vor ihm stand.
»Fupatami! Schön, dich zu sehen!«, sagte es dann zwischen zwei ziemlich großen Bissen von einem mit Kapern und Rotkohl „verfeinerten“ Apfelkuchen. Krümel rieselten dabei über den Tisch, während es mich mit seinen glücklichen Augen ansah, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt, sich mitten in der Nacht durch die Vorräte anderer Leute zu futtern.
»Du hättest wenigstens fragen können, ob ich dir beim Essen Gesellschaft leiste!«, sagte ich.
»Gesellschaft?«, wunderte sich das Pelipontalus. »Dafür habe ich doch den saturnischen Waschwurm mitgebracht!« Mit einem lässigen Kopfnicken deutete es Richtung Herd.
»Du meinst den müden Kameraden im Topf?!«, fragte ich verunsichert und versuchte, das Geschehen in meiner Küche vollständig zu verstehen.
»Aber natürlich«, verkündete das Pelipontalus. Ich lehnte mich seufzend zurück, den Blick skeptisch auf das Pelipontalus gerichtet, das zwischenzeitlich genüsslich ein weiteres Stück Apfelkuchen in seinem Mund verschwinden ließ.
»Das heißt, du hast nicht die ganze Bolognese allein aufgegessen?«, hakte ich nach.
»Aufgegessen? Aufgegessen?!«, entrüstete sich das Weltraumtier, als wäre meine Behauptung das größte Unrecht, das ihm jemals widerfahren war. »Überhaupt nicht! Erst habe ich ein klein wenig probiert, dann ein bisschen davon genascht, bevor ich mir ein paar Löffel auf der Zunge habe zergehen lassen. Anschließend habe ich noch ein wenig gekostet, und den Hauch von Mahlzeit, der dann noch übrig war, habe ich mir im Munde zergehen lassen.«
»Aha«, sagte ich und zog meine rechte Augenbraue hoch. »Und den Rest verputzt der Wurm, wenn er wieder wach ist?«, wollte ich wissen.
»Nur wenn ich nicht schnell genug bin!«, sagte das Pelipontalus mit einem unschuldigen Blick auf seinem Teller, auf dem ich die letzten Überbleibsel der Bolognese ausmachen konnte. Und ich wünschte, ich wäre wenigstens ein bisschen überrascht gewesen.
»Und dir ist nach all der Schlemmerei nicht etwas flau im Magen?«, wollte ich wissen. Der pure Gedanke an die schiere Menge des Mitternachtsimbisses des Pelipontalus hatte meinen Appetit vollständig verschwinden lassen.
»Wie bitte?«, erwiderte das Tier und ließ seine Gabel fallen, als hätte ich soeben etwas völlig Absurdes gesagt.
»Ob dir nach der großen Menge Nahrung nicht ein wenig…«, ich suchte nach einem schönen alten Wort, das dem Sprachstil des Pelipontalus gerecht werden könnte, »blümerant zumute ist, wollte ich wissen.«
Das Weltraumtier neigte seinen Kopf. »Ich hatte das schon verstanden, aber warum sollte mir von Essen schlecht werden? Du bist ja komisch!«, verkündete es, sprang vom Tisch auf die Küchenarbeitsplatte und fing an, irgendetwas in den Schubladen zu suchen.
Ich befürchtete Schlimmes – und sollte recht behalten. Niemand hatte so seltsame Nachspeisegelüste wie das Pelipontalus. Das Weltraumwesen hatte ein paar Kerzen gefunden und begann, sie anzuknabbern. Was für Menschen giftig war, schien ein besonderer Leckerbissen für ihn zu sein.
»Könntest du vielleicht zwei, drei übrig lassen?!«, bat ich das Pelipontalus.
»Oh, du hast auch Hunger?«, fragte es mit ehrlicher Neugier und hielt mir freundschaftlich eine grüne Kerze hin – natürlich nicht, ohne unten vorher einen Teil davon abzubeißen.
»Ich wollte keinen Snack.«, erklärte ich. »Man kann die Dinger sehr schön auf einen Geburtstagskuchen drapieren.«
Das Pelipontalus schien sich für einen Moment das Bild eines prunkvoll dekorierten Kuchens vorzustellen.
»Oh, Kuchen mit Kerzen! Das klingt lecker!«, sagte das Pelipontalus und hielt verträumt inne.
»Ja. Ähm. Nein.«, sagte ich und nutzte die Gelegenheit, wenigstens ein paar Teelichter in Sicherheit zu bringen.
»Apropos Geburtstag!«, plötzlich fiel mir eine Frage ein, die ich schon lange einmal meinem außerirdischen Bekannten stellen wollte. »Wann hast du eigentlich Geburtstag?«
»Am 31. November«, verkündete das Pelipontalus ruhig und begann damit – ohne die Miene zu verziehen – an alten Eierkartons zu lutschen. Das irritierte mich weniger als seine Datumsangabe.
»Am 31. November?!«, fragte ich. Und das Pelipontalus nickte und leckte weiter.
Ich nahm den Kalender an der Wand, blätterte bis zum November und hielt ihn, auf den letzten Tag des Monats tippend, dem Pelipontalus unter die Nase. »Siehst du, der November hat keine 31 Tage«, verkündete ich siegessicher.
Das Pelipontalus verzog keine Miene. »In DIESEM Jahr gibt es keinen 31. November«, erklärte es geduldig. »In dem Jahr, in dem ICH geboren wurde, gab es den 31. November.«
Obwohl ich es vermeiden wollte, verzog ich das Gesicht. Eine Geste, die dem Pelipontalus überhaupt nicht gefiel.
»Wann hatte dein Opa Paul Geburtstag?«, fragte es mich, wie in einem Kreuzverhör.
»Am 29. Februar«, war meine Antwort.
Es nickte nachdenklich. »Und haben wir in diesem Jahr einen 29. Februar?«, wollte das Pelipontalus wissen.
»Nein, haben wir nicht. Aber wir haben auch kein Schaltjahr!«, stellte ich klar.
»Und in diesem Jahr haben wir ebenso kein St. Kunibert!«, erklärte das Pelipontalus ganz unaufgeregt.
»St. Kunibert?«, murmelte ich verwundert.
»St. Kunibert musst du doch kennen! Der Festtag der Ritter! Immer am 31. November gefeiert. St. Kunibert war ein berühmter Knappe. Ein Knappe ist so etwas wie ein Assistent der Ritter. Also so jemand wie du für mich.« (Ich wollte etwas entgegnen und ließ es dann doch lieber bleiben, also erklärte das Pelipontalus weiter.) »Also, Kunibert war immer sehr hilfsbereit. Hievte dicke Ritter auf Pferde, fettete Rüstungen ein, half beim Besingen von Burgfräuleins und so …«
»Und dann hat man einen Tag nach ihm benannt?«, wollte ich wissen.
»Ja, aber anscheinend wurde mit dem Ende der Ritter vor einem halben Jahrtausend nicht nur St. Kunibert, sondern gleich der ganze 31. November vergessen.«
»Das ist ja traurig«, fand ich.
»Wir können den guten Kuni ja jedes Jahr zur gleichen Zeit ehren…«, schlug das Pelipontalus vor.
»…und etwas ölen, das quietscht. Es muss ja nicht gleich eine Ritterrüstung sein!«, ergänzte ich begeistert.
»Oder wir essen an dem Tag einfach mal etwas aus einer Dose!«, rief das Pelipontalus erfreut und hielt mir Ravioli unter die Nase.
Irgendwie hatten die Geschichten mit meinem dimensionsreisenden Freund immer dasselbe Happy End.
Ich stöhnte.
