Kapitel 1 – Kein ganz normaler Sonntag

Es war Sonntag und ich hatte es mir gerade auf dem Sofa ge­mütlich gemacht. Die Familie war im Park spazieren, also legte ich die Beine hoch und schloss die Augen. Ich stellte mir vor, wie die Kinder um die Wette liefen, die große Rutsche erklommen und ausprobierten, wie viel Modder­pfützenwasser wohl in ihre Gummistiefel passen würde.

Ein warmer Herbstwind wehte durch das offene Dachfenster hinein und ich war gerade dabei, einzu­schlafen, als ich etwas erst rascheln und dann kratzen hörte. Missmutig öffnete ich ein Auge, das andere schlief schon fast, und ich wollte gerade mit unserem Kater schimpfen, als ich erstaunt feststellen musste, dass dieser auf der Fensterbank lag und friedlich schlummerte.

»Potzblitz!«, dachte ich, doch noch bevor ich nach weiteren Ursachen für die mittägliche Störung suchen konnte, sprang das Pelipontalus auf meinen Schoß und erzählte mir seine Geschichte.

Wer noch nie das Pelipontalus auf seinem Schoß sitzen hatte, wird überrascht sein, wie leicht es eigentlich ist. Es ist zwar so groß wie ein Dackel, wiegt aber nur so viel wie ein Hundehalsband. Das liegt wohl daran, dass das Pelipontalus vor allem aus Fell besteht: Oranges Fell mit bunten Flecken, um genau zu sein. Es ist dabei so flauschig, dass man Vorder- und Hinterbeine nur erkennen kann, wenn man ganz genau hinschaut. Auffallend sind dagegen seine Ibularen*, zwei fühlerartige Antennen mit kleinen Kugeln dran, die gelegentlich die Farbe wechseln. Aber das Pelipontalus ist nicht nur angenehm kuschelig und flauschig, nein, es riecht auch noch verführerisch nach Himbeeren und Salmiak. So störte es mich auch gar nicht, dass es sich ungefragt auf meinem Schoß einkuschelte. Ich fing sogar instinktiv gleich damit an, ihm den Rücken zu kraulen und es mit Gummibärchen zu füttern. Beides schien es sehr zu mögen.

»Ich bin übrigens das Pelipontalus!«, war der erste Satz, den das possierliche* Wesen jemals zu mir sagte. So ganz nebenbei, während es weiterhin munter meine Gummi­bärchen futterte.

»Ah, ein Pelipontalus!«, wiederholte ich, als wenn mir das irgendwas gesagt hätte.

»Nein, nein, DAS Pelipontalus«, verbesserte es mich gleich. »Ein häufiger Fehler!« Es richtete sich kurz auf, schaute mir in die Augen, zog mich mit seinen sehr kleinen Vorderfüßen an sich heran und sagte: »Mich gibt es nur ein einziges Mal.«

»Oh! Entschuldige bitte!«, entgegnete ich. Aber das Pelipontalus schien nicht nachtragend zu sein. Es hatte sich schon wieder abgewendet und widmete sich ausgiebig den süßen Dingen in der Schale, die auf dem Tisch stand und sich nun dramatisch schnell leerte.

Zwei Minuten lang schaute ich mir meinen Besuch vorsichtig an. Niedlich war dieses Wesen ja, selbst wenn es laut kaute; aber ein bisschen unheimlich war mir die Situation schon.

»Wo kommst du denn eigentlich so plötzlich her?«, traute ich mich endlich zu fragen.

Hatte ich die Tür offen gelassen? Durch den Briefschlitz hatte es bestimmt nicht gepasst. Es war klein, aber, na ja, eben auch fast so hoch wie breit.

»Aus«, das Pelipontalus bewegte kurz seine Ibularen*, »dieser Richtung!« Dabei zeigte es knapp an meiner Nase vorbei. »128 metrische Längenqwicks*! Aber keine Sorge, ich bin nicht gelaufen, sondern durch ein Dimensionstor gefallen.«

Längenqwicks? Dimensionstor?! In meinem Wohnzimmer?!?! An einem Sonntag?!?!?! Ich war verwirrt. Und ich wurde umso verwirrter, je länger das Gespräch andauerte.

»Wobei«, schob das Pelipontalus ein, »die Entfernung ist die eine Frage. Die Zeit eine andere. Es ist immer schwierig, den richtigen Zeitpunkt zu erwischen, wenn man sich bei großen Sprüngen an einem Dimen­sionswirbel festhalten und dann wieder loslassen muss. Aber diesen Platz muss ich mir merken. Hier scheint es nett zu sein!«

Seine Ibularen leuchteten nun in einer anderen Farbe, und zwar in einem sehr ulkigen Orange. Die kleinen Antennen vibrierten dabei etwas und strahlten sogar Wärme ab. »Heute ist Sonntag?«, fragte es. Ich nickte heftig zur Bestätigung.

»Sonntag, 21,9 Grad Celsius bei Windstärke eins Komma drei, salzige Meeresluft …« Das Pelipontalus dachte laut nach.

»Abgewaschen hast du heute noch nicht, oder?«, wollte es wissen.

»Ja. Ich meine: nein. Ich wollte gerade eine Pause machen«, stammelte ich.

»Oje!«, sagte das Pelipontalus. »Dann bin ich diesmal sehr weit zurückgesprungen. Diese blauen Steine sind aber auch immer gefährlich! Gut, dass es davon nicht allzu viele gibt.«

»Aber immerhin gibt es hier gute Verpflegung«, stellte das Weltraumtier fest und naschte weiter.

Verwirrt und ratlos saß ich auf der Couch. Nun war ich mir sicher, dass dies kein normaler Sonntag mehr war. Um mich zu beruhigen, ging ich in die Küche und kochte mir einen Tee. Wenn meine Familie bei mir gewesen wäre, hätte sie sich spätestens jetzt Sorgen gemacht, denn Tee trinke ich eigentlich nur, wenn ich krank bin. Aber ich war kerngesund: An diesem Tag war einfach alles möglich!

So tat ich einen Teebeutel in meine rote Lieblings­tasse mit dem Hubschrauber drauf, goss das Wasser auf und süßte das Ganze mit etwas Honig. Dann schnappte ich mir das Heißgetränk und trug es, während ich langsam umrührte, zurück ins Wohnzimmer, wo ich das Pelipon­talus bei dem Versuch ertappte, den Kater durch gezieltes Pusten ins Ohr zu wecken. Meine bloße Anwesenheit reichte aber schon, es von diesem Vorhaben abzubringen. Es schaute verstohlen zu mir hinüber und sprang zurück auf das Sofa. Aber nicht, ohne sich eine neue Leckerei aus meiner Schale zu nehmen. Diese hatte ich gerade zum zweiten Mal aufgefüllt.

»Nun«, sagte ich, »musst du mir endlich erzählen, wo du herkommst!«

Das war natürlich totaler Quatsch. Nichts MUSSTE mir das Pelipontalus erzählen. Aber wir Erwachsenen sagen manchmal solche halbwahren Dinge, ohne sie eigentlich zu meinen.

»Na gut«, entgegnete das Pelipontalus. »Für die ganze Geschichte haben wir aber keine Zeit.«

»Warum nicht?«, wunderte ich mich. Wie lang konnte so ein Bericht über das Leben eines Pelipontalus denn sein? Er roch, wie ich bereits erwähnte, noch sehr frisch und sein Fell war schön farbig und gut gepflegt. Unser alter Kater sah zerknitterter aus.

»Es passiert eine Menge in 2.151 Jahren«, meinte das Pelipontalus.

Ich trank einen großen Schluck Tee. Aber das half nicht. Mir schlotterten die Knie. Hatte das Pelipontalus mir eben gesagt, dass es 2.151 Jahre alt sei? Vor so langer Zeit gab es weder Computer noch Autos, ja noch nicht einmal gedruckte Bücher!

Konnte das stimmen? Das Pelipontalus hatte eigent­lich keinen Grund, mich anzulügen, und machte auch sonst einen sehr ehrlichen Eindruck.

Dann überlegte ich, ob wir seinen 2.152sten Geburtstag wohl zusammen feiern würden. Was würde ich ihm wohl schenken? Eine Geburtstagstorte vielleicht? Dann müsste das Pelipontalus aber eine Menge Kerzen aus­blasen, dachte ich und lachte leise vor mich hin.

»Möchtest du nun kichern oder meine Geschichte hören?«, ermahnte mich das Pelipontalus sanft.

»Aber natürlich möchte ich deine Geschichte hören!«, rief ich etwas zu aufgeregt, denn ich liebe spannende Erzählungen, da ich chronisch neugierig bin.

»Dann möchte ich dir die Geschichte von der Königin der Maschinen erzählen«, verkündete das Pelipontalus feierlich. »Und du wirst sie aufschreiben«, fügte es streng hinzu.

Und so tat ich, wie mir aufgetragen worden war. Allerdings war das Aufschreiben der Geschichte des Peli­pon­talus viel schwieriger, als ich zunächst dachte. Es war mindestens so schwer wie eine Mathearbeit oder ein mittelgroßer Elefant.

Erst einmal lag es daran, dass mein neuer außerirdischer Freund selten pünktlich war. Und wenn ich »selten« sage, meine ich eigentlich »nie«. Während manche Leute vielleicht zehn Minuten oder maximal eine halbe Stunde zu spät kommen, wusste man beim Pelipontalus eigentlich nie, wann es das nächste Mal auftauchen würde. Es verwechselte 9 Uhr mit 17 Uhr, Mittwoch mit Freitag, Januar mit März. Und da es gewöhnlicherweise durch ein Dimensionstor fiel, mit dem es Raum und Zeit überwinden konnte, konnte es schon mal sein, dass es die Reihenfolge seiner Besuche durcheinanderbrachte und mir nach Kapitel 5 plötzlich Kapitel 9 diktieren wollte und beim nächsten Besuch dann das dritte. Doch das war nicht die einzige Herausforderung. Manchmal schlief es schon vor seinem Bericht einfach auf dem Sofa ein, auch wenn ich denke, dass es dann nicht wirklich erschöpft, sondern eher sauer war, weil ich keine Schokolade im Haus hatte. Oder es nuschelte dermaßen, dass ich bei jedem Satz dreimal nachfragen musste, um es richtig zu verstehen. Solche Dinge passieren halt, wenn man gerade eine große Schüssel Müsli oder Gummibärchen isst, während man redet.

Zudem benutzte das sehr, sehr alte Pelipontalus zuweilen sehr, sehr alte Wörter, die ich nicht kannte und erst nach dem Verfassen dieser Geschichte nachschlagen musste. Und da ich denke, dass es Euch, liebe Leserinnen und Leser, vielleicht genauso geht, habe ich solche Begriffe – und eine Handvoll aus außerirdischen Sprachen stammende Wörter – mit einem * markiert und am Ende des Buches zusammengetragen und mit passenden Erklä­rungen versehen. Schaut dort einfach nach, wenn ihr etwas nicht versteht.

Aber nun genug des Vorgeplänkels*! Nun wird es wirklich Zeit, dass ich damit beginne, die pyramidale* Geschichte vom Pelipontalus und der Königin der Maschi­nen zu erzählen, und ich hoffe, Ihr habt beim Lesen so viel Spaß, wie ich ihn beim Aufschreiben hatte.

 

Kapitel 2 – Auf der Millimallikas

Joni lag auf dem Slimm-Fitsch-Generator und schlief. Das Gerät summte leise vor sich hin. Und das war auch gut so, denn der Generator war unter anderem dafür verantwort­lich, dass das Pelipontalus keinen schlechten Tag hatte.

Nein, nein, das Gerät kraulte ihm nicht den ganzen Tag den Rücken oder produzierte halbstündlich ein neues, anderes Stück Kuchen. Der Slimm-Fitsch-Generator war ganz allein dafür verantwortlich, dass alle im Raumschiff »Millimallikas« so herumlaufen konnten wie auf einem Planeten: Mama, Papa, Joni, das Pelipontalus und der alte Hermann.

Einmal war das Maschinchen kaputt gegangen und alle schwebten für fast eine Stunde durch die Gänge. Absolut schwerelos! War das ein Spaß! Mühelos konnte man bis an das Ende des langen Korridors mit den Frachträumen springen. Oder an der Decke entlanglaufen, oder an Ecken des Raumschiffes gelangen, an die man sonst nie herankam. Auch das eine oder andere Spielzeug, das Joni verloren geglaubt hatte, schwebte nun aus irgend­welchen Ecken des Schiffes heran. War das ein toller Tag gewesen!

So dachte zumindest Joni. Das Pelipontalus war davon bedeutend weniger begeistert gewesen. Es gurrte die ganze Zeit komisch, seine Haare standen nach allen Seiten ab und die kleinen Beinchen ruderten panisch in der Luft. Und es machte einen sehr unzufriedenen Gesichts­ausdruck, den es erst ablegte, als das Gerät wieder einwandfrei funktionierte. Erschöpft legte sich das Pelipontalus anschließend auf Jonis Bauch, bis es friedlich eingeschlummert war.

So lagen die beiden Freunde auch jetzt da. [Daher sollte man die nächsten zwei, drei Seiten dieses Buches lieber ganz leise lesen, damit niemand aufgeweckt wird.]

Anfangs hatten Mama und Papa es nicht gern gesehen, dass Joni hier schlief anstatt in ihrem Bett, aber irgendwann hatten sie aufgegeben und ihr eine kuschlige Decke und ein Kopfkissen auf den Generator gelegt. Joni konnte von hier aus den Sternen zuschauen, wie sie lang­sam am Fenster vorbeizogen, oder einfach nur nachdenken. Und oft kam das Pelipontalus vorbei und legte seinen Kopf an ihren Kopf, und gemeinsam genossen sie dann die Ruhe. Gute Freunde müssen auch gut zusammen schweigen können, pflegte Jonis Opa zu sagen.

Auf den dunkelgrauen Wandplatten neben dem Fenster hatte die jetzt immer noch schlafende Joni vor einiger Zeit ein paar Zeichnungen mit einem weißen Stift gemacht. In der Mitte befand sich die Route des Fracht­schiffes, die sich immer und immer wieder wiederholte. Die Reisen begannen stets mit der Bergbausiedlung auf dem Asteroiden Antex, dann dauerte es zwölf Tagesreisen bis zur Handelsstation Pydra, noch einmal 19 Tage bis zum Planeten Orix, dann sieben Tage bis zum Tankschiff Heffla und am Ende noch einmal 18 Tage bis zur Station Gagarin, auf der Opa wohnte. Das war immer der schönste Teil der Reise. Hier machte die Besatzung meist ein bis zwei Tage Pause, bevor sie die Route in umgekehrter Reihenfolge zurückflog. An jeder Station lieferten sie Waren ab oder nahmen neue auf. Mit dem Geld, das sie dafür bekamen, kauften sie Ersatzteile, Treibstoff, Lebensmittel und sehr oft einen neuen Kamm für das Pelipontalus, denn diese verschwanden ständig. Vorzugsweise immer dann, wenn das Mädchen mal wieder das buschige Fell ihres Begleiters kämmen wollte.

Doch nun war es erst mal Zeit zum Aufwachen. Leise piepste Jonis Armband. Pünktlich nach neuneinhalb Stunden wurde das Kind geweckt, so wie es ihre Mama an dem Gerät eingestellt hatte. Langsam regte sich das Kind und mit ihm das Pelipontalus, das es immer noch fest an sich gedrückt hatte. Das Wesen stellte sich auf die Hinter­beine, um sich zu strecken, dabei rieselten ab und an aus seinem ansonsten so sauberen Fell kleine Kekskrümel, aber das störte Joni nicht. Sie würde es nachher bürsten. Wenn sie denn einen Kamm finden sollte.

Nun ging auch langsam das Licht in dieser Sektion des Raumschiffes an. Denn selbst wenn es auf der Milli­mallikas eigentlich keinen Tag und keine Nacht gab, hatten sich alle daran gewöhnt, die vielen Stunden im Weltall im gleichen Rhythmus wie auf dem blauen Planeten, den wir Erde nennen, einzuteilen.

Joni reckte sich, zwickte dem Pelipontalus leicht in die Seite, so dass es einen leisen Piepton von sich gab, und dann hörte sie schon aus der Ferne jemanden rufen: »Joooooooooooooooooooniiiiiiiiiiii!«, und noch einmal: »Joooooooooooooooooooniiiiiiiiiiii!«. »Früüüüüüüüüüüüühstüüüüück!«

 Jonis Mama hätte problemlos die Schiffslautsprecher benutzen können, aber sie rief lieber aus vollem Halse den Namen ihrer Tochter. Immer wieder. Jeden Morgen. Egal wie oft sich Joni darüber beschwerte.

Bevor sie sich auf dem Weg zum Frühstückstisch machte, ging Joni noch schnell unter die Schalldusche. Diese Erfindung war schnell und praktisch. Im Gegensatz zu einer Dusche mit Wasser reinigte sie effizient mit einem unsichtbaren, fast unmerklichen Strahl. Und das innerhalb von wenigen Sekunden! Auch das Zähneputzen entfiel, denn die Zähne reinigte die Schalldusche gleich mit, wenn man den Mund etwas offen ließ. Ein Kind der Zukunft zu sein, hatte immense Vorteile.

Nach der Reinigungsprozedur zog sich Joni eine Hose an, band hastig ihre schulterlangen Haare zusammen, rückte ihre Halskette mit dem Anhänger zurecht und eilte den Frachtkorridor entlang. Vor der Tür mit der Nummer 12 lief sie besonders schnell. Denn obwohl sie ein sehr mutiges Kind war, fürchtete sie sich ein bisschen. Sie könnte schwören, sie hätte schon zwei, drei Mal Geräusche aus dem Frachtraum gehört, obwohl dieser leer war. Das behaupteten zumindest alle Erwachsenen an Bord. Das heißt, Mama, Papa und der alte Hermann. Der Frachtraum Nr. 12 wurde nie vermietet, was wohl vor allem daran lag, dass sich seine Tür nicht öffnen ließ. Viele Nächte lang hatte Jonis Mama schon versucht, den Eingangsmechanismus zu reparieren, aber stets erfolglos. Dabei konnte sie sonst alles reparieren! Kein System des Schiffes war ihr unbekannt. Zudem war sie die beste Pfannkuchenmacherin, die Joni kannte. Also lief sie auch hinter dem Frachtraum Nr. 12 so schnell sie konnte in Richtung Messe*.

»Messe« nannte man schon auf den alten Segelschiffen den Speisesaal. Der der Millimallikas war eigentlich viel zu groß für die vier Personen und das Pelipontalus an Bord. Also hatte Jonis Papa einen Teil des Raumes mit bunten Tüchern abgehängt, um ihn gemütlicher zu machen. Das war ihm gelungen. Joni kam sich darin immer vor wie in einem großen Beduinenzelt.

Ihre Mama hatte schon Pfannkuchen und Apfelmus auf den Tisch gestellt. Das hatten sie letzte Woche selbst gemacht. Äpfel im Weltraum gab es selten, aber Jonis Mama hatte in einem der Laderäume ein kleines Gewächshaus eingebaut, und Jonis Papa hatte dort Salate, Gemüse, Bee­ren und sogar einen Apfelbaum angepflanzt.

Während Joni ihre leckeren Pfannkuchen aß, saß ihr der alte Hermann gegenüber. Der alte Hermann war … alt. Älter als Mama und Papa, älter als ihr Raumschiff. Er lächelte nie und Joni gruselte sich ein bisschen vor ihm, obwohl er immer nett zu ihr war. Zu den sehr seltenen Gelegenheiten, wo er etwas sagen wollte, brummte er es eher, als dass er es aussprach. Nun saß er am Tisch und las ein Buch über einen weißen Wal. Das konnte Joni am Umschlag erkennen. Sie ließ sich ja Geschichten lieber vorlesen. Entweder vom Bordcomputer oder noch viel lieber von Papa.

Hatte der alte Hermann eine Seite gelesen, grunzte er kurz in sich hinein, hob seinen linken Arm, schüttelte ihn fast unmerklich, und dann wurde seine linke Hand lebendig.

Die linke Hand vom alten Hermann war das Einzige, was Joni an ihm mochte, wenn sie darüber nachdachte. Es war keine gewöhnliche Hand. Es war eine Roboterhand! Aber keine klobige, auffällige, schwerfällige Roboterhand, sondern eine ganz fein gearbeitete. Sie glänzte blau-metallisch und leuchtete im Halbdunkeln ein wenig. Wenn man ganz genau hinschaute, sah man, dass sie aus ganz vielen winzigen Einzelteilen bestand, die von noch win­zigeren Schrauben zusammengehalten wurden. Wenn Hermann seine künstlichen Finger bewegte, surrten sie leise mechanisch, wie ein kleines Aufziehtierchen. Dabei waren die Finger schnell und präzise; wenn der alte Hermann arbeitete, merkte man nicht, dass er nur noch eine menschliche Hand hatte. Und Joni hatte noch nie erlebt, dass der alte Hermann irgendwas hätte fallen lassen oder sonst wie etwas auf dem Schiff beschädigt hätte. Trotzdem mochte sie ihn nicht. Und sie wusste nicht, warum. Vielleicht lag es auch daran, dass sie es seltsam fand, wie wenig Interesse er daran hatte, was im Fracht­raum 12 vorging. Er sagte dann immer: Es wird schon einen Grund haben, warum die Tür nicht funktioniert. Den Platz brauche man nicht und überhaupt!

Ansonsten war der alte Hermann aber eine große Hilfe. Er kümmerte sich um die Ladung, half das Schiff zu fliegen und sorgte dafür, dass der große, antike Frachter nicht auseinanderfiel. Das war viel Arbeit. Eigentlich war Jonis Mama fast den ganzen Tag ausschließlich damit beschäftigt, Dinge zu reparieren. Nur ganz selten kam sie dabei an die Grenzen ihrer Fähigkeiten. Etwa bei der Tür zu Frachtraum 12.

Über all das und noch viel mehr dachte Joni nach, während sie ihre Eierkuchen aß.

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